Wirksamkeit von Paartherapien

Vergleich der Wirksamkeit von emotionsfokussierter Paartherapie und systemischer Paartherapie in der Praxis

Nahaufnahme vom Händchenhalten zweier Menschen

Ausgangslage 

Obwohl Paartherapie in der Praxis breite Anwendung finden, gibt es bislang wenig Erkenntnisse zur Wirksamkeit dieser Intervention im Praxisfeld. Zugleich besteht ein anhaltend hoher Bedarf nach Unterstützung für belastete Paarbeziehungen. Paartherapie konnte in vielen Studien zeigen, dass sie zu einer Verringerung der Trennungsrate beitragen kann (Roesler 2018a, 2018b). 70 % der Paare erfahren nach einer Paartherapie eine signifikante Verbesserung. Allerdings ist dieser Effekt nur bei 40 % der Paare auch noch nach fünf Jahren nachweisbar. Diese Ergebnisse beziehen sich auf experimentelle Studien (randomized controlled trials = RCTs), in denen Paartherapie unter stark kontrollierten Bedingungen durchgeführt wurde. Es bestehen allerdings deutliche Unterschiede in der Wirksamkeit zwischen verschiedenen Verfahren. Neuere Übersichtsarbeiten (Sprenkle, 2012, Lebow et al., 2012, Halford et al., 2016, Lebow, 2016) betonen inzwischen die Überlegenheit der Emotionsfokussierten Paartherapie (EFT; Wiebe & Johnson, 2016) gegenüber allen anderen Verfahren. Studien zeigen eine signifikante Besserungsrate von 86-90% bei einer geringeren Zahl von Therapiesitzungen (im Mittel ca. 10 Sitzungen); 70-74% der Paare bezeichnen sich in den Nachbefragungen als komplett frei von therapierelevanten Problemen; diese Resultate erweisen sich auch in mehrjährigen Nachkontrollen als stabil.

Die systemische Paartherapie dagegen, in Deutschland vermutlich das am häufigsten zum Einsatz kommende Verfahren, zeigt eine deutlich schlechtere Datenlage. Die wenigen vorhandenen Studien geben ein divergentes Bild ab. Sie zeigen zwar in der Mehrzahl signifikante Effekte, aber vor allem auf eine Verbesserung der individuellen Problematik und kaum auf die Belastung der Paarbeziehung. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass systemische Paartherapie zwar wirksam ist, im Vergleich zu anderen Verfahren aber offenbar weniger effektiv, zumindest was die Verbesserung der Beziehungsproblematik angeht.

Ein weiteres Problem in der Forschung zur Wirkung von Paartherapie besteht darin, dass auffällige Unterschiede bestehen in den Effektstärken zugunsten der RCTs (d = 0.8) im Vergleich mit naturalistischen Studien  (d = 0.5), in denen die Wirksamkeit von Paartherapie unter den realistischen Bedingungen der alltäglichen Praxis untersucht wurde (Halford et al., 2016). Es besteht ein hoher Bedarf an Überprüfung der Wirksamkeit von Paarberatung unter realen Praxisbedingungen.

Das Projekt 

Die zentrale Fragestellung im Projekt ist, ob ein Verfahren wie die EFT, die zumindest in experimentellen Studien auch bei anfänglich hoher Paarbelastung hohe Erfolgsraten aufweist, dieselben Ergebnisse auch in einer naturalistischen Studie unter realen Praxisbedingungen erbringt, und damit auch unter Praxisbedingungen eine Überlegenheit gegenüber anderen Paartherapieverfahren aufweist. Dazu soll die EFT mit der systemischen Paartherapie in ihrer Anwendung unter Alltagsbedingungen verglichen werden, da systemische Paartherapie in Deutschland ein etabliertes Standardverfahren darstellt. Ließe es sich hier zeigen, dass EFT im Vergleich signifikant höhere Besserungsraten auch bei stärker belasteten Paaren erbringt als ein etabliertes Standardverfahren, dann ließe sich in Zukunft die Versorgung von belasteten Paarbeziehungen in Deutschland verbessern.

Die grundlegende Anlage der Studie entspricht dem Design einer prospektiven naturalistischen outcome-Studie mit drei Zeitpunkten, d.h. jeweils eine Datenerfassung zu Beginn der Beratung, zum Ende der Beratung und eine Katamnestische Nachbefragung nach ca. sechs Monaten, sowie zwei Gruppen (EFT versus systemische Paartherapie), wobei aber keine randomisierte Zuteilung zu den Gruppen stattfindet, da ja die realen Praxisbedingungen untersucht werden sollen.

Damit eine genügende Stichprobengröße für die Anwendung statistischer Auswertungsverfahren gegeben ist, sollte zu T1 (Beginn der Therapie) mit jeweils 30 Fällen in beiden Gruppen begonnen werden. Da in naturalistischen Studien, die in der alltäglichen Praxis stattfinden, erfahrungsgemäß ein Schwund der Teilnehmer zwischen Beratungsbeginn und Beratungsende von bis zu 50 % stattfindet und dies die Ergebnisse systematisch verzerrt, sollte in der geplanten Studie unbedingt eine Aufrechterhaltung der anfänglichen Stichprobengröße erreicht werden. Zu diesem Zwecke sollen die Klienten für ihre Teilnahme an der Studie bis zum Messzeitpunkt T3 (Katamnese) monetär entlohnt werden, um hier einen Anreiz für eine kontinuierliche Teilnahme zu schaffen.

Literatur: 

  • Roesler, C. (2018a): Paarprobleme und Paartherapie – Theorien, Methoden, Forschung. Ein integratives Lehrbuch. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Roesler, C. (2018b): Die Wirksamkeit von Paartherapie. Teil 1: Eine Übersicht über den Stand der Forschung. Familiendynamik, 43 (4), 332-341.
  • Sprenkle, D. (2012). Intervention research in couple and family therapy: a methodological and substantive review and an introduction to the special issue. Journal of Marital and Family Therapy, 38, 3–29.
  • Halford, W.K., Pepping, C.A., & Petch, J. (2016). The gap between couple therapy research efficacy and practice effectiveness. Journal of Marital and Family Therapy, 42 (1), 32-44.
  • Lebow, J.L., Chambers, A.L., Christensen, A., & Johnson, S.M. (2012). Research on the Treatment of Couple Distress. Journal of Marital and Family Therapy, 38(1), 145-168.
  • Lebow, J.L. (2016). Editorial: Empirically Supported Treatments in Couple and Family Therapy. Family Process, 55, 385–389.
  • Wiebe, S.A. & Johnson, S.M. (2016). A Review of the Research in Emotionally Focused Therapy for Couples. Family Process, 55, 390–407.

Projektleitung

Prof. Dr. Christian Roesler – christian.roesler@kh-freiburg.de

Laufzeit

Mai 2021 –  Dezember 2024

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Christian Roesler im Hörsaal der KH Freiburg

Prof. Dr. phil. Christian Roesler

Professor

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