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Verlieren konfessionelle Organisationen den Bezug zu sich selbst?

Samuel Scherer in einem Vortrag

Eine Dissertation von Dr. Samuel Scherer, die sich mit der Alleinstellung und Organisationsethik von Katholischen Hochschulen auseinandersetzt.

Katholische Hochschulen befinden sich in einem spannenden Spannungsfeld: Einerseits bietet ihre kirchliche Zugehörigkeit Alleinstellungsmerkmale, andererseits birgt diese auch Risiken im Hinblick auf gesellschaftliche Erwartungen und den Umgang mit pluralistischen Werten. Samuel Scherer widmet sich in seiner Forschung der Frage, inwiefern die Strukturen und Prozesse dieser Hochschulen tatsächlich mit den von ihnen kommunizierten Werten in Einklang stehen.

Unter Anwendung von Luhmanns Systemtheorie und der Organisationsethik nach Heller und Krobath entwickelt Scherer ein Selbstbewertungsinstrument auf Basis des EFQM-Modells. Dieses Instrument ermöglicht es den Hochschulen, eine Standortbestimmung ihres ethischen Reifegrades vorzunehmen und sich so gezielt weiterzuentwickeln. Die Verbindung von Ethik und Management wird so zur Grundlage einer bewussten, wertorientierten Organisationsentwicklung.

Angesichts rückgängiger Kirchensteuermittel wird es für Finanzierungs- und Förderträger immer wichtiger, den Mehrwert der Hochschulen für die jeweils eigene Zweckerfüllung zu bewerten. Entscheidend ist dabei, inwieweit Hochschulen – und insbesondere konfessionell gebundene Institutionen – ihre ethischen Werte in ihre Strukturen integrieren und damit ihren Daseinszweck aktiv verfolgen. Das entwickelte Modell liefert hierbei wertvolle Impulse, um das Management von Hochschulen aber auch anderen Organisationen strategisch und ethisch fundiert auszurichten und so auch zukünftig für Fördermittel attraktiv zu bleiben.

Damit bietet diese Forschung nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Reflexion innerhalb katholischer Hochschulen, sondern hat auch für die zukünftige Finanzierung und Positionierung von wertebasierten Organisationen allgemein eine hohe Relevanz.

Ein Interview mit Dr. Scherer

Katholische Hochschulen: Zwischen Alleinstellung und Organisationsethik. Dr. Scherer, was war der Auslöser das Sie dieses Thema gewählt haben?

Nachdem ich sowohl meine Diplomarbeit als auch meine Masterthesis die ich hier an der KH Freiburg geschrieben habe als Auftragsarbeiten für Organisationen aus dem katholischen Umfeld geschrieben habe, lag es irgendwie Nahe, sich mit einem Thema zu beschäftigen, das mich seit nun mehr über 15 Jahren beschäftigt.

Was ist besonders herausfordernd für Katholische Hochschulen?

Organisationen und vor allem konfessionelle Organisationen sind vor dem Hintergrund enger werdender finanzieller und personeller Ressourcen zunehmend unter Rechtfertigungsdruck zu Ihrer Daseinsberechtigung. Das, was bis vor einigen Jahren ein USP war, nämlich die konfessionelle Ausrichtung und die damit verbundene Werteorientierung, ist zukünftig nicht unbedingt mehrheitsfähig. Vor diesem Hintergrund muss sich Management solcher Organisationen dringend damit beschäftigen, wie das Besondere der Organisation, das Proprium, zum erlebbaren und kommunizierbaren Mehrwert wird. 

Was sind die drei wichtigsten Kernaussagen ihrer Dissertation?

Die untersuchten Hochschulen stehen alle vor sehr ähnlichen Herausforderungen. Die grundlegendste, wenn man davon ausgeht, dass Organisation über ihre Mitglieder gestaltet wird, ist, dass es keine „verlässliche“ katholische oder auch christliche Sozialisation mehr gibt, auf die die Organisation bei der Mitgliederrekrutierung (Personal aber auch, im Falle der Hochschulen Studierende) bauen kann. In einer zunehmend pluralen und säkularisierten Gesellschaft braucht es daher Orte (zeitlich wie räumlich), in denen die Organisationsmitglieder in den Austausch und die Reflexion zu Haltungen und Werten kommen können. Nur so kann aus individuellen Positionen ein Mehr als die Summe der Einzelhaltungen werden – eine wertebasierte Organisation. Und das ist im übrigen auch auf nicht-konfessionelle Organisationen übertragbar.

Dissertationen an einer University of Applied Sciences, sind ja oft anwendungsbezogen. Welche Handlungsempfehlungen geben Sie ganz konkret?

Sinkende Kirchensteuermittel und ein zunehmender Wettbewerb um finanzielle Mittel wirken sich unmittelbar auf die Träger der Katholischen Hochschulen aus. Die Hochschulen sind daher m.E. gut beraten, wenn Sie sich um ihr Proprium, um ihren Mehrwert kümmern, diesen pflegen und kommunizieren können. Wenn zum Beispiel das K in KH Freiburg als Qualitätsmerkmal und nicht als etwas gesehen wird, das man verstecken muss, dann wird die Nutzenkommunikation gegenüber den Trägerinstitutionen deutlich leichter fallen. Und daran haben dann, davon bin ich überzeugt, nicht nur kirchliche Träger ein Interesse sondern die Gesellschaft in der wir leben, die so dringend auf ausbalancierte Werte angewiesen ist und so dringend jungen Menschen braucht, die nicht nur selbst eine Orientierung haben, sondern auch anderen eine wertebasierte Orientierung geben können.  

Seit kurzem ist die Veröffentlichung als OpenAcess Veröffentlichung beim transcript Verlag frei zugänglich:

Ansprechperson

Samuel Scherer in einem Vortrag

Dr. Samuel Scherer

Qualitätsmanagement Beauftragter

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